Predigt Seiner Seligkeit Sviatoslav am Thomas-Sonntag in Rom

Predigt Seiner Seligkeit Sviatoslav am Thomas-Sonntag in Rom

April 28, 2025, 15:03 46

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”…kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen:
Friede sei mit euch!”
(Joh 20,19).

Hochwürdige Exellenzen Borys und Mykola!
Ehrwürdige Schwestern!
Hochverehrte Patres!
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Unsere glorreiche römische Gemeinschaft, Gemeindemitglieder
der historischen Basilika von Santa Sofia in Rom!

Christus ist auferstanden!

Heute, am achten Tag nach Ostern, feiern wir ein besonderes Ereignis: das Fest der Gegenwart des auferstandenen Christus unter seinen Jüngern. Das Evangelium (Joh 20,19–31), das Johannes uns heute zum Hören und zur geistlichen Nahrung geschenkt hat, berichtet von zwei Ereignissen. Der Teil des Evangeliums, der das erste Ereignis beschreibt, findet am Ostersonntagabend statt und wird in der Vesper an diesem Tag gelesen. Der andere Teil beschreibt die Ereignisse des folgenden Sonntags, den wir heute erleben.

Wenn wir aufmerksam auf Gottes Wort hören, werden wir einen wichtigen Punkt entdecken. Normalerweise konzentrieren wir uns an diesem Sonntag auf den Apostel Thomas: erst war er abwesend, dann aber anwesend; erst glaubte er nicht, dann glaubte er wieder. Ich lade Sie aber heute ein, Gottes Wort mit anderen Augen zu sehen und mit einem offenen geistlichen Ohr zu hören. Die Gestalt des Apostels ist nur ein Teil einer umfassenderen Beschreibung der doppelten Erscheinung des auferstandenen Jesus unter den Aposteln. Wir wissen, dass, wenn etwas in der Heiligen Schrift wiederholt wird — ein Wort oder eine Geste — , dies der Hauptsinn des Textes ist. Heute hören wir Christus dreimal zu seinen Jüngern sagen: “Der Friede sei mit euch!”. Diese Worte sind die Quelle, aus der alles andere fließt.

Die Forscher dieses heiligen Textes stellen fest, dass Johannes höchstwahrscheinlich eine Beschreibung der apostolischen Liturgie wiedergibt. Die gleiche Geste wird zweimal beschrieben: Christus steht inmitten der Jünger und sagt: “Friede sei mit euch!”. Wie Sie wissen, enthalten alle Liturgien der Kirchen der apostolischen Tradition diese Geste und beginnen mit diesen Worten. Jeder, der bei unserer Liturgie aufmerksam zuhört, kann zählen, wie oft der Priester, der die Gläubigen segnet, sagt: “Friede sei mit euch allen!”. Was bedeutet dieser Ausdruck?

Diese Worte gehören zu einer Form des Grußes. “Shalom” (“Friede”) ist auch heute noch eine gängige Grußformel im israelischen Volk. Doch der auferstandene Christus, der durch eine verschlossene Tür zu den Jüngern kommt, gibt diesen Worten eine tiefere Bedeutung. Shalom, Frieden, ist der Atem des auferstandenen Erlösers. Christus wünscht nicht nur Frieden, wie die Menschen einander einen guten Tag wünschen, sondern er spricht nicht nur vom Frieden, sondern er ist Frieden (vgl. Eph 2,12–22). Er gibt diesen Frieden an seine Jünger weiter!

Der Friede, den Christus nach der Auferstehung schenkt, bedeutet die Fülle des menschlichen Lebens in der Auferstehung. Nur der Mensch, der seinen irdischen Weg in Gott vollendet hat, der seine Sehnsüchte voll verwirklicht hat, atmet in der Auferstehung das ewige Leben in Fülle und hat seinen Frieden.

Wenn wir für die Verstorbenen beten, bitten wir Gott, den Herrn, dass sie in seinem Frieden, in seiner Ruhe ruhen. Christus atmet diesen Frieden. Um so mehr, er sendet seine Jünger aus, um diesen Frieden weiterzutragen. Die Fähigkeit, die Menschheit mit dem Atem des Auferstandenen anzuhauchen, bedeutet die Überlieferung der apostolische Tradition der Kirche Christi. Davon erzählt der Heiland seinen Jüngern heute: “Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!’” (Joh 20,21–22).

Jedes Mal, wenn Sie den Friedenssegen im Rahmen der Liturgie empfangen oder wenn Sie einen Priester oder Bischof um den Segen bitten, haucht Ihnen die Kirche den Atem des auferstandenen Erlösers ein. Dieser Atem bringt den Menschen aller Zeiten und Nationen den lang ersehnten Frieden, der nur von Gott kommt. Christus sagte: “Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.” (Joh 14,27). Denn einen solchen Frieden des Auferstandenen gibt es nirgendwo auf der Welt, unter den Menschen.

Schauen wir uns auch die Figur des Apostels genauer an. Wenn wir die Erzählung hören, das Zeugnis, die Frohe Botschaft, dass Christus auferstanden ist, sehen wir: Thomas glaubt nicht, dass er Frieden empfangen kann. Er ist von Angst erfüllt, weil er alles verloren hat. Nachdem er das schreckliche Drama der Kreuzigung und des Todes seines Erlösers erlebt hat, glaubt der Apostel nicht, dass es noch etwas anderes geben könnte. Wie die Menschen der damaligen Zeit glaubt er, dass der Tod das Ende ist und dass es danach nur noch das Reich der Finsternis gibt. Um zu glauben, dass der Friede Gottes real ist und erlangt werden kann, muss Thomas den auferstandenen Heiland sehen, ihm begegnen und ihn berühren. Sehen heißt hier glauben.

Manchmal sind wir überrascht, wenn wir jemanden treffen, den wir schon lange nicht mehr gesehen haben: “Ich erkenne dich gar nicht wieder, du hast dich so sehr verändert!” Etwas Ähnliches geschah im Herzen und in der Seele dieses Jüngers. Er konnte sagen: “Lehrer, ich erkenne dich nicht, weil du dich verändert hast”- weil er gelitten hat, gestorben und auferstanden ist und Wunden an seinem Körper hat. Den auferstandenen Christus zu erkennen bedeutete hier, sich zu bekehren, aufzuhören, an unsere eigenen Vorstellungen von ihm zu glauben. Glauben bedeutet nicht so sehr, die Fiktion von jemanden oder eine Scheinrealität zu akzeptieren, sondern die Realität so zu sehen, wie sie heute ist. Glauben heißt, den Auferstandenen zu berühren, den Frieden anzunehmen, den er uns schenken will.

Deshalb kommt der Auferstandene heute in diesen Momenten zu euch, genau wie in Jerusalem. Er hat uns, Ihre Bischöfe und Priester, gesandt, um seine sichtbare und lebendige Ikone zu sein. Die gesamte apostolische Tradition, die wir als Nachfolger der Apostel haben, ist nichts anderes als die Fähigkeit, euch denselben Geist der Auferstehung Christi zu überliefern, um euch seinen Frieden zu vermitteln. Alles, was Sie jetzt tun müssen, ist zu glauben, dass dieser Friede real ist, und wie der Apostel zu sagen: “Mein Herr und mein Gott” (Joh 20,28). Dann können wir gemeinsam zu Trägern und Erbauern des Friedens werden, nach dem wir uns in unserer Welt sehnen, die voller Kriege, Tod und Leid ist. Seit Jahrhunderten lehren die Väter und Lehrer der Kirche des Westens und des Ostens, dass der Friede nicht durch Kompromisse oder Vereinbarungen entsteht, die es den Menschen nicht erlauben, in Würde zu leben, sich zu entwickeln und Gerechtigkeit zu empfinden. Solche Vereinbarungen werden im Gegenteil zu neuen Kriegen führen. Solche Vereinbarungen werden im Gegenteil zu neuen Kriegen führen. Nur wenn die Menschen sich selbst und anderen die Möglichkeit eröffnen, in Fülle zu leben, sich im Frieden Christi zu verwirklichen und die Fülle des Lebens in Gott zu begreifen, werden die “Zeiten des Friedens” kommen, um die wir in der Göttlichen Liturgie beten.

Geliebte in Christus, wir alle stehen noch unter dem Eindruck des gestrigen Ereignisses. Wir erlebten die Beerdigung von Papst Franziskus. Dort, auf dem Petersplatz, wo die ganze Welt versammelt war, erlebten wir, dass der auferstandene Christus zu uns gekommen ist und zu uns gesagt hat: “Friede sei mit euch!”, und wir spürten, dass er auch dem verstorbenen Papst den Geist der Auferstehung einhauchte. Wir haben den heiligen Franziskus in die Hände unseres auferstandenen Erlösers überliefert. Selbst die Hymnen der lateinischen Kirche, die wir gestern gesungen haben, waren ein Gebet: “Dass ich Gott in meinem Leib sehe.” (“Et in carne mea videbo Deum salvatorem meum”. Responsorium CREDO QUOD REDEMPTOR MEUM VIVIT). Wir übergaben Papst Franziskus zum Leben und zur Auferstehung.

Gestern fand ein weiteres wichtiges Ereignis statt, über das alle sprechen. Der Gemeinschaft, zu der der auferstandene Christus kam und sagte: “Der Friede sei mit euch” — schlossen sich Hunderttausende von Menschen, die aus der ganzen Welt zur Beerdigung kamen. Bei der Liturgie saßen mir gleich drei Präsidenten gegenüber: von Amerika, Frankreich und der Ukraine. Es war etwas Einzigartiges, sie während des Gottesdienstes live zusammen zu sehen. Wie Sie wissen, trafen sie sich, bevor sie den Petersplatz betraten, und sprachen über den Frieden in der Ukraine. Ich habe sie angeschaut und gebetet, dass ihre Herzen sich Gott und der Ukraine zuwenden, dass sie erleben, was der Apostel Thomas erlebt hat, dass sie glauben, dass der Friede, von dem so viel gesprochen wird, möglich ist und dass Christus ihn ihnen in Gegenwart des verstorbenen Papstes, der gesamten Weltkirche und des Volkes Gottes schenken will.

Darum bitten wir heute: Jesus, komm zu uns. Du, der Auferstandene, hast uns heute nach Kyjiw, Donezk, Zaporischschja, Charkiw, Odesa gerufen — inmitten des Reiches des Todes, das Russland schafft — , um diesem Land deinen Geist einzuhauchen. Du schickst uns — die wir glauben, dass Du von den Toten auferstanden bist — in dieses Land, damit wir unseren Soldaten, den Familien der Toten und auch denen, die in der Kriegsgefangenschaft bestraft werden, sagen können: “Friede sei mit euch!”. Heute gibt es viele geschlossene Grenzen, Gefängnisse, Folterkammern und viel Angst in der Welt. Aber Christus kommt auch dort durch verschlossene Türen. Herr Jesus, komm zu uns, hauche deinen Frieden über uns und segne damit unsere leidgeprüfte Ukraine.

Dieser Sonntag markiert eine besondere Zeit. Nach dem Brauch der römischen Kirche beginnt die Novene — ein neuntägiges Gebet für den verstorbenen Papst Franziskus — , die dem Konklave der Kardinäle vorausgeht. Ich rufe unsere gesamte Kirche auf, die römische Kirche in ihrem Gebet für den verstorbenen Heiligen Vater zu begleiten. Gleichzeitig bitte ich Sie, für die Kardinäle zu beten, denen der Herr eine besondere Verantwortung (nicht nur eine Würde!) anvertraut, nämlich im Konklave zu entscheiden, wer die Nachfolge des Apostels Petrus antreten soll, und eine Wahl nach der Stimme des Gewissens zu treffen, mit Blick auf das berühmte Fresko des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle.

Heute befindet sich hier in der Santa Sofia eine Ikone unserer weltweiten Kirche. Ich bin als Zeuge aus Kyjiw hierher gekommen. Metropolit Borys ist aus Philadelphia eingereist. Außerdem ist ein junger Bischof Mykola aus Australien anwesend, der als Kardinal der römischen Kirche am Konklave teilnehmen wird. Bitte beten Sie für Bischof Mykola und für all diejenigen, die die schwierige Aufgabe übernehmen werden, ein Verkünder des Friedens für Rom, die Ukraine und die Welt zu sein. Wir alle müssen durch unseren Glauben den auferstandenen Erlöser, der unter uns gegenwärtig ist, anerkennen und wie Thomas sagen: Nicht etwas anderes, nicht jemand anderes, sondern du allein, Jesus, bist mein Herr und mein Gott. (Vgl Joh 20,28) Amen.

Christus ist auferstanden!

† SVIATOSLAV

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